Falsches und Unwahres


Sebastian Kurz verkündet mit sanftem Schmelz in der Stimme die Devise: „Machen wir die Grenzen dicht und leisten Hilfe vor Ort.“. Es ist die humane Abwandlung seiner ehemaligen Forderung von "Internieren wir die Flüchtlinge auf griechischen Inseln. Machen wir es wie die Australier", eine Forderung, die in der Öffentlichkeit doch nicht so gut angekommen ist. Damit steht er voll im Einklang mit seiner Parteifreundin, der jetzigen Landeshauptfrau von Niederösterreich, Frau Mikl-Leitner, als sie in der Funktion der Innenministerin so treffend vorschlug „Bauen wir die Festung Europa.“ und dafür sorgte, dass es die Asylwerber von 2015 in Traiskirchen nicht besonders bequem haben sollten, so dass es sich rasch unter den Fliehenden herumsprechen möge, ja nicht in Österreich bleiben zu wollen, sondern auf kürzestem Wege nach Deutschland weiter zu ziehen. Ein absolut zynisches Spiel angesichts ihrer Heuchelei von Bedauern wenn wieder einmal bekannt wurde, hunderte Bootsflüchtlinge seien im Mittelmeer ertrunken.

Jedenfalls der Stammtisch jubelt, ist begeistert und lobt Kurz, was er wohl für ein kluger Bursche sei. Geht es schließlich doch darum, Flüchtlinge und Migrationswillige von unseren Grenzen fern zu halten, das ist vielen Bürgern unseres Landes ebenfalls ein großes Anliegen und durchaus nachvollziehbar, lösen solche Entwicklungen schließlich großes Unbehagen und Unsicherheit in der Bevölkerung aus.

Was Sebastian Kurz in der Eigenschaft als Außenminister allerdings nicht sagt, dass die ÖVP im Laufe ihrer zahlreichen Regierungsbeteiligungen der letzten 30 Jahre konsequent die Entwicklungshilfe aus angeblichen Sparzwängen rigoros eingeschränkt hat und diese mittlerweise so quasi gegen Null gesunken ist. Siehe auch den Beitrag "Schlawinerpolitik". Dass im Sog der syrischen Kriegsflüchtlinge auch viele Wirtschaftsflüchtlinge nach Europa und da besonders nach Deutschland emigrieren wollen und es auch tun, hat auch mit der Einstellung der Afrika-Hilfe tun. Das Fluchtproblem liegt jedoch noch viel tiefer.

Seit 6 Jahren ist Kurz der verantwortliche Minister bzw. Staatssekretär, der für die Eingliederung von Asylberechtigten zuständig ist. Sechs Jahre sind eine beachtlich lange Zeit, da könnte man auch schon einige Erfolge vorweisen. Dass also Menschen durch seine Politik erfolgreich integriert worden sind. Nichts da, die Ergebnisse sind sehr mager und bescheiden. Ausnahmslos stützt sich seine Politik auf die Forderung, dass nur die neuen Bürger Pflichten hätten, während sich seine Landesfürsten bei der finanziellen Starthilfe immer weiter aus der Verantwortung stehlen dürfen. Auf die Idee, dass man diesen Menschen, für die man schließlich Verantwortung übernommen hat, Grundlagen schaffen sollte, damit sie so rasch als möglich ein selbstbestimmtes Leben führen können und sie dann jahrzehntelang Steuern und Sozialabgaben bezahlen und damit die geleistete Starthilfe vielfach wieder refundieren, auf die Idee kommt der "Herr Integrationsminister" nicht. Stattdessen siniert er bei zahlreichen Talk-Shows darüber nach, wie er Zuwanderungswilligen das Leben besonders schwer machen könnte, damit sie ja nicht unser Heimatland heimsuchen mögen. Und sollte der eine oder andere Asylberechtigte aufgrund der kargen Lebensbedingungen womöglich kriminell werden, wäre seine Haltung diesen Menschen gegenüber wohl gerechtfertigt. Man nennt so etwas "selbsterfüllende Prophezeiung".

Es darf aber auch gefragt werden, was Herr Kurz "mit Hilfe vor Ort" überhaupt meint? Meint er etwa, dass Österreich, Europa und speziell die EU in den Staaten Afrikas, von denen die meisten Fluchtbewegungen ausgehen, mithelfen sollte bessere Lebensgrundlagen zu schaffen, damit die Menschen dort keine Fluchtgründe mehr haben ihre Heimat zu verlassen? Meint er das im Ernst? Nein. Herr Kurz als "Fachmann für Außenpolitik" sagt hier vorsätzlich Falsches und Unwahres! Dafür sprechen ganz klar 3 Fakten:

  1. Faktum 1: Fehlendes Kapital
  2. Eine wirksame Hilfe wäre nur möglich wenn die EU lastwagenweise Geld nach Afrika schickt und nicht einmal dann ist es sicher, ob diese Hilfe „ankommen“ würde. Gemeint ist das Ankommen bei jenen Menschen, die tagtäglich ums nackte Überleben für sich und ihre Kinder kämpfen. Denn das Geld fiele zahlreichen Despoten in die Hände, die damit noch bessere Waffen in Europa kauften, um ihre Bevölkerung noch gezielter und wirksamer zu unterdrücken oder sogar zu massakrieren, wie das Beispiel Syrien mit seinem Diktator Assad eindrucksvoll zeigt. Abgesehen davon könnte Europa soviel Kapital gar nicht aufbringen um hier wirksam und nachhaltig helfen zu können. Es würde ein Tausendfaches dessen kosten, als wir heute für die Migranten ausgeben.

  3. Faktum 2: Souveränität der Staaten
  4. Eine wirksame Hilfe, bzw. die Beseitigung der Fluchtgründe wäre nur unter Zustimmung der betroffenen Staaten bzw. deren Regierungen zulässig. Das selbe gilt ja auch für die Rücknahme von Flüchtlingen mit abgewiesenen Asylbescheid. Europa hat also gar keine rechtlich verbindliche Möglichkeit den Fluchtwilligen ohne Zustimmung der jeweiligen nationalen Regierungen Hilfe vor Ort zukommen lassen zu können. Viele dieser Staaten werden von Diktatoren regiert, die selbst Teil der Fluchtgründe sind.

  5. Faktum 3: Der Zeitfaktor
  6. Selbst wenn es Lösungen zu den Fakten 1 und 2 gäbe, würde es Jahrzehnte dauern, bis diese Hilfen vor Ort wirkten. Die Probleme der Fluchtbewegungen sind jedoch heute aktuell und nicht erst in 10 Jahren, vielleicht - oder sehr wahrscheinlich - auch dann noch. Sie beruhen auf den Versäumnissen der letzten 300 Jahre, als viele europäische Staaten den afrikanischen Kontinent ausbeuteten und es teilweise auch heute noch tun. Beispielsweise die Abfischung der Fischgründe vor Afrikas Küsten durch europäische industrielle Fangflotten, oder die Errichtung von großflächigen Palmölplantagen, nur um 2 Beispiele zu nennen. Unabhängig davon, könnte man Hilfsmaßnahmen paralell dazu setzen, wenn man nur wollte. Zum Beispiel, durch mehr Geld für gezielte Entwicklungshilfe vor Ort. Womit wir wieder am Beginn der Diskussion wären.

Doch was für Herrn Kurz jetzt zählt, ist, bis zum Wahltermin eine rethorische Scheinlösung den Wählern gegenüber anzubieten und darauf zu hoffen, sie mögen ihm diese Ankündigungen als seine Lösungskompetenz glauben. Die eigentliche Problemlösung wird von ihm weit in die Zukunft, auf den St.Nimmerleinstag verschoben. Es liegt an den seriösen Medien und den JournalistInnen mit Herz ihm zu widersprechen und die Fakten aufzuzeigen, dass Herr Kurz als Verantwortlicher in Fragen der Außen- und Migrationspolitik vorsätzlich Falsches und Unwahres sagt, um sein eigenes Versagen als verantwortlicher Politiker zu kaschieren.