Pilz, ein Verräter?


Peter Pilz trat vor die Presse und verkündete "Ja, es geht". Gemeint ist, Peter Pilz tritt mit einer eigenen Liste zur Nationalratswahl 2017 an, nachdem er bei den Grünen als Mandatar für den Nationalrat abgewählt und der 4. Listenplatz (sein Wunschplatz) durch einen "Nobody" besetzt wurde. Peter Pilz meinte dazu, er akzeptiere das Wahlergebnis und verkündete, dass er seine Aufgaben als Grün-Abgeordneter im EF-Untersuchungsausschuss zu Ende bringen werde, aber mit Ende dieser Legislaturperiode sein "3. Leben beginne."


Die Träumer vom Bundeskongress hatten erwartet, er werde als Politpensionär seinen Namen gerecht und Schwammerl suchen gehen. Statt dessen sucht er eine neue politische Herausforderung. Das war für manche Grüne neu, nicht jedoch für Leute, die Peter Pilz etwas genauer kennen. Wochenlang wurde spekuliert, macht er was oder macht er es doch nicht?

Am 21. Juli, fast ein Monat nach dem Bundeskongress, war es dann soweit. Peter Pilz trat also mit einigen Gefolgsleuten vor die Presse und verkündete in knappen Worten sein neues Vorhaben. Natürlich war damit klar, diese Kandidatur wird den Grünen Stimmen kosten, aber auch andere Parteien verlieren möglicherweise Stimmen an die Liste Peter Pilz. So war absehbar, dass sehr bald einige Journalisten, vornehmlich Parteischreiberlinge, auf den Plan treten würden und die Kandidatur in den Schmutz ziehen. Und tatsächlich dauerte es wirklich nicht lange bis Christian Rainer seinen Leitartikel im "Profil" gegen Peter Pilz unter dem Titel "Peter Pilz ist ein Verräter" publizierte.


Bemerkenswert ist seine Argumentation, denn darin offenbart sich das ganze Dilemma der Grünen und ihr sehr beschränktes Wachstum als Partei. So schreibt er, Zitat:

Was Peter Pilz tut, ist unerträglich. Soll man die Grünen gerade jetzt unterstützen oder muss man sie fallen lassen?

Wer die Grünen wählt, tut dies aus zwei möglichen Beweggründen. Entweder man identifiziert sich mit dem Programm der Partei, also mit Umweltbewusstsein, Kapitalismuskritik und Willkommenskultur. Oder man findet es unabhängig von diesem Programm wichtig, dass eine unangepasste Partei im Parlament vertreten ist. Zu der zweiten Gruppe habe ich gelegentlich gehört, mit mir ein guter Teil meiner Bekannten und wohl auch der Bobo-Blase. Wir wählten grün, obwohl wir im Gegensatz zum Programm stehen: Umweltschutz nehmen wir nur in der Theorie ernst, unser eigener ökologischer Fußabdruck ist riesig. Wir halten eine gut geölte Marktwirtschaft für eine großartige Sache, und höhere Abgaben wie auch eine Erbschaftssteuer würden uns als Erste treffen. Von der Willkommenskultur haben wir uns abgewendet, weil sie uns trotz aller multikulturellen Toleranz als übergroße Belastung des Staatswesens erscheint, auch weil unsere Vorbehalte gegenüber manchen Migrantengruppen größer wurden. Und dennoch: Die Grünen vertreten Tugenden, die im politischen System repräsentiert sein sollen, und daher wählt man sie auch gegen die eigenen Interessen. Seit ihrer Gründung hat es keinen Skandal in den eigenen Reihen gegeben. Umso stärker treten sie der Korruption im Land entgegen. Im Zweifelsfall stehen sie auf der Seite der Schwachen. Ihr Verständnis von innerparteilicher und staatlicher Demokratie ist ungetrübt.


Soweit das Zitat.

Besser kann man das Problem der Grünen nicht beschreiben. Die Wählerstruktur ist eine flüchtige, weil die meisten Wähler in der Partei nicht verankert sind und viele mangels anderer Alternativen sie als das kleinere Übel des Politspektrums sehen und wählen ohne jedoch emotional an die Partei gebunden zu sein. Entsprechend fatal wirken sich Fehler in der politischen Arbeit aus. Und da gibt es von zwei gravierenden Ereignissen aus der jüngeren Vergangenheit zu berichten:


Da ist einmal der Umgang mit den Jungen Grünen, die man kurzerhand aus der Partei warf, nachdem diese nicht den Vorgaben der Mutterpartei bei den Hochschülerwahlen folgten. Man muß sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Eine Partei kappt einfach ihre eigene Zukunft. Dieser Vorgang ist einmalig in der 2. Republik!


Das nächste Ungemach baute sich - im wahrsten Sinne des Wortes - in Wien auf. Die Zustimmung der Wiener Grünen zum Heumarkt-Projekt bei dem ein privater Investor entgegen der sonst gültigen Bauordnung unglaubliche Ausnahmen zugesprochen bekam, dass damit ein internationales Privileg der Stadt Wien zu verloren gehen droht, nämlich der prestigeträchtige Status der Stadt als "Unesco-Weltkulturerbe". Auch dabei spielte eine sehr undemokratische Begleitmusik in der Partei eine wichtige Rolle.


Die beiden Ereignisse bewirkten, dass sich viele Grün-Sympathisanten enttäuscht von der Partei abwandten, Umfragen zeigten das klar. Man darf ja nicht vergessen, Wien ist das Kernland der Partei. Dann kam noch der Rückzug von Glawischnig aus der Parteiführung so kurz vor der Nationalratswahl, der zur weiteren Verunsicherung im Pool der Grün-Wähler und Grün-Sympathisanten beitrug. Der Bundeskongress vom 25. Juni sollte wieder die Ordnung herstellen, die Partei in ruhigere Fahrwasser bringen, doch das Gegenteil wurde bewirkt, der Ausgang ist bekannt. Man kann es als Dynamik einer griechischen Tragödie bezeichnen.


Dass nun Christian Rainer Peter Pilz zum Verräter brandmarkt ist schon ein starkes Stück, wenn er schreibt, Zitat:

Für mich ist Pilz ganz einfach ein Verräter, und mich wundert, dass ihn nicht alle so sehen, dass ausgerechnet die ach so korrekte „Blase“ Sympathien für ihn findet und dass er vom grünen Haus- und Hofblatt „Falter“ nicht geradeheraus verurteilt wird.

Mit dem Verhalten von Peter Pilz muss man die Sache überdenken. Was hat er getan, und was erzählen die Vorgänge über die Partei?

Für mich ist Pilz ganz einfach ein Verräter, und mich wundert, dass ihn nicht alle so sehen, dass ausgerechnet die ach so korrekte „Blase“ Sympathien für ihn findet, dass er vom grünen Haus- und Hofblatt „Falter“ nicht geradeheraus verurteilt wird, dass der bislang über viele moralische Zweifel erhabene und sich selbst erhebende Anwalt Alfred Noll als Mastermind der Pilz-Partei agiert und von Pilz als deren „Initiator“ genannt wird.

Zitat Ende.

Christian Rainer ist scheinbar so empört, dass er den Vorwurf fast wortgleich zweimal im Artikel wiederholt, was er aber nicht sagt, ist, am Bundeskongress wurde der erfolgreiche Bereich "Korruptionsbekämpfung" einfach weggeputscht. Dass dieses Thema plötzlich nicht mehr zur Priorität der Partei gehören sollte wurde schon früher durch einige Wortmeldungen von Grünfunktionären bemerkbar, allen voran Glawischnig selbst, die noch wenige Wochen vor ihrem Abgang Pilz und seine Arbeit kritisierte, und Christoph Chorherr, der meinte, man möge in die Zukunft blicken und die Sache mit den Eurofightern vergessen. Auch die Schwächung der Position von Gabi Moser in der Partei bestätigt diesen Trend. Möglicherweise gab es eine interne Spekulation, mit der ÖVP eine Koalitionsregierung bilden zu können, sollte Sebatian Kurz doch vor einer Koalition mit den Freiheitlichen zurückschrecken. Diese Erwartung ist unberechtigt, er schreckt nicht zurück.

Die Entmachtung von Peter Pilz war genau der Schritt, diesen Bereich der politischen Arbeit zu verlassen, vielleicht sogar gänzlich aufzugeben. So gesehen hat nicht Pilz die Partei verraten, sondern die Partei hat seinen Aufgabenbereich aus der Partei eliminiert und ihn selbst durch einen Nobody ersetzt. Wo also der Verrat zu suchen ist, liegt klar auf der Hand. Christian Rainer betreibt mit seinem Artikel eine Art Schuldumkehr.


Dass solche Entscheidungen, wie die Grünen sie jetzt getroffen haben, fatale Folgen haben können zeigt ein historischer Blick in die Vergangenheit. Aus einer Fehlentwicklung entsteht manchmal etwas Neues, manchmal sogar etwas Großes. Ich denke da an Prinz Eugen von Savoyen, dessen Fähigkeiten als Heerführer durch König Ludwig XIV. von Frankreich verkannt wurde und der durch diese Fehleinschätzung des Königs später zum größten Feldherrn des Habsburgerreiches aufstieg.


Natürlich ist es vermessen und verwegen, Peter Pilz mit Prinz Eugen zu vergleichen, aber frappante Ähnlichkeiten sind wohl vorhanden. So hat Prinz Eugen die Türken aus Europa vertrieben und sie für Jahrhunderte von dort verbannt und auch Peter Pilz kämpft gegen die Einflußnahme von Erdogans türkischen Brückenköpfe in Europa. Pilz tritt nicht mit einer Islamfeindlichkeit a priori auf, sondern kämpft gezielt gegen die politische Einflußnahme der Türkei und einiger arabischer Mächte in unserem Kulturraum an. Das ist ein gravierender Unterschied zu den Freiheitlichen, die völlig paranoid gegen alles Fremde auftreten.


Dass sich die Liste Peter Pilz auch um soziale Themen der Gesellschaft annimmt ist ein weiterer begrüßenswerter Aspekt. Da ist besonders die Rolle der einzelnen Listenmitglieder hervorzuheben. Jedes Listenmitglied betreut ein spezielles Projekt, von dem man annehmen darf, es hat einen besonderen gesellschaftlichen Wert, wie z.B. Tierschutz, Unterhaltsicherung für Alleinerziehende, Kulturagenten, Start-ups-Unterstützung, Flüchtlingsbetreuung, Konsumenten-und Rechtschutz für Bürger u.v.a. Die Auswahl ist gut getroffen, es sind Menschen, die bereits jetzt schon vieles für die Zivilgesellschaft geleistet haben.

Gelingt es der Liste in den Nationalrat einzuziehen, sind die Listenmitglieder freie Abgeordnete, die für einen bestimmten Themenbereich für betroffene Menschen im Nationalrat Politik machen werden. Das ist ein neues Angebot an die Bürger, auch an solche, die sonst nicht mehr wählen. Es ist mehr direkte Demokratie als man sich bisher vorstellen konnte. Denn die gewählten Abgeordneten sind sozusagen Lobbyisten benachteiligter Bürger.



Doch von all dem sagt Christian Rainer nichts. Er spricht nur von Verrat.